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Kleine Volkskunde

Volkskunde heute

Ein wesentlicher Forschungsbereich der Volkskunde/Europäischen Ethnologie ist die Alltagswelt in ihrer Komplexität – insbesondere die Strukturen und Erscheinungsformen der Alltags- und Populärkultur in Vergangenheit wie Gegenwart.

Dazu gehören z. B. folgende Bereiche:

  • Arbeit und Beruf
  • Wohnen und Mobiliar
  • Ernährung
  • Kleidung
  • Sprache/Erzählkultur
  • medikale Laienkultur
  • Volkskunst, Lied, Musik, Spiel
  • Brauchtums- und Traditionspflege/Tourismus
  • Körper- und Konsumkultur
  • soziale Beziehungs-, Kommunikations- und Medienwelten.

Untersucht werden kulturelle Erscheinungsformen städtischer Lebenswelten wie regionale Besonderheiten ländlicher Areale, die sich einerseits ausschließen, andererseits berühren. Ziel ist es, mehr Aufmerksamkeit auf kulturelle Prozesse im Alltag zu lenken, für diese zu sensibilisieren und Wissen darüber zu vermitteln. Mit dem gesellschaftlichen Wandel, einem veränderten Konfliktpotential und multikulturellen Einflüssen eröffnen sich neue Forschungsfelder, sind neue Fragestellungen und Sichtweisen zu berücksichtigen.

Die Volkskunde arbeitet vorwiegend mit so genannten „weichen“ Methoden. Beschrieben, analysiert und interpretiert werden alltägliche Lebensformen, Praktiken und Prozesse.

Eine der gebräuchlichsten Methoden ist die Feldforschung, die mit den Mitteln der Beobachtung, teilnehmenden Beobachtung, Befragung sowie der bildlichen, akustischen und filmischen Dokumentation arbeitet. Des Weiteren umfasst sie – in enger Verknüpfung mit dem Museumswesen – die Analyse überlieferter Objekte (Ursprung, Entstehung, Wandlung, kultureller Kontext), die Erhebung archivalischer Quellen sowie die Datenanalyse und -kritik.

Ausgelöst durch die aktuellen Prozesse der Globalisierung, wie z. B. die rasant zunehmende Mobilität und die sich wandelnden Kommunikationsformen, entwickelt sich das Fach selbst wie auch die Vielfalt seiner Vernetzungsmöglichkeiten weiter.

Fachgeschichte

Die Entstehung der Volkskunde als Wissenschaft wird mit dem Jahr 1858 verknüpft. In diesem Jahr hielt der studierte Theologe und damalige Professor für Staatswirtschaftslehre und Statistik Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897) in München einen Vortrag über die „Volkskunde als Wissenschaft“. Ihre Wurzeln reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Sie sind verknüpft mit der Staatswissenschaft und Beschreibungen der Landbevölkerung. Weitere Wegbereiter waren Johann Gottfried Herder (1744–1803) mit seiner Volksliedsammlung „Stimmen der Völker in Liedern“ und der Idee vom »Nationalgeist der Völker«, Justus Möser (1720–1794), ein westfälischer Landesadvokat, der in der Kultur der Bauern den eigentlichen Hort der Volks- bzw. Nationalkultur sah, Ludwig Achim von Arnim (1781–1831) und Clemens Brentano (1778–1842) mit ihrer Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ sowie Jakob (1785–1863) und Wilhelm (1786–1859) Grimm mit der Sammlung von „Kinder- und Hausmärchen“.


Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte mit der Gründung volkskundlicher Museen und Vereine eine zunehmende Institutionalisierung des Fachs. So ist die Entstehung der Volkskunde aufs Engste mit den entsprechenden Sammlungen und Museen verknüpft. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde mit dem Atlas der Volkskunde – der Erkundung von Kulturräumen – das bisher größte Gemeinschaftsprojekt begonnen. Zugleich entstand aber eine unselige Allianz mit den Ideen und Machtstrukturen der Nationalsozialisten. So war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt vom Ringen um den Erhalt und die Neuorientierung des Faches. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts vollzieht sich ein Wandel hin zur Sozial- und Kulturwissenschaft. Ohne herkömmliche Bereiche aufzugeben, erweiterte und aktualisierte man Forschungsfelder hin zu Arbeiterkultur, Stadtentwicklung, Medienkultur, Gender, Ernährungskultur usw.

Mit dieser Neuorientierung ging teilweise eine Umbenennung des Faches an Universitäten und Instituten in empirische Kulturwissenschaft, europäische Ethnologie oder Kulturanthropologie einher. Die spezifische Entwicklung der Volkskunde in der DDR ist heute Gegenstand der Fachgeschichtsforschung.

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© Sächsische Landesstelle für Museumswesen